München, 17.11.2020. Im Mercedes-Abgasskandal hat sich die Rechtsprechung deutlich zu Gunsten der geschädigten Käufer entwickelt. Nachdem eine Reihe verschiedener Landgerichte Daimler bereits zu Schadenersatz verurteilt hat, musste Daimler nun zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit eine bittere Niederlage vor einem Oberlandesgericht hinnehmen. Mit Urteil vom 5. November 2020 verurteilte das OLG Köln Daimler wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadenersatz (Az.: 7 U 35/20). Das OLG ist zu der Überzeugung gekommen, dass Daimler bei einem Mercedes 250 D Marco Polo eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet und den Kläger getäuscht hat.
Schon im September hatte das OLG Naumburg die Daimler AG im Dieselskandal verurteilt. Das Urteil des OLG Köln ist für den Autohersteller nun die zweite empfindliche Niederlage vor einem Oberlandesgericht innerhalb weniger Wochen. „Die beiden Urteile der Oberlandesgerichte Naumburg und Köln dürften richtungweisend sein. Der Wind im Mercedes-Abgasskandal hat sich eindeutig zu Gunsten der geschädigten Verbraucher gedreht“, sagt Rechtsanwalt Franz Braun, CLLB Rechtsanwälte.
Ging es in dem Fall vor dem OLG Naumburg noch um die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung bei einem Mercedes GLK 220 CDI, die das Gericht als unzulässige Abschalteinrichtung wertete, ging es vor dem OLG Köln um unzulässige Abschalteinrichtungen bei einem Mercedes 250 D Marco Polo. Der Kläger hatte das Wohnmobil 2017 gekauft. In dem Camper ist der Dieselmotor OM 651 mit der Abgasnorm Euro 6 verbaut.
Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) 2018 den Rückruf für das Modell verpflichtend angeordnet hatte, machte der Kläger Schadenersatzansprüche geltend. Neben einem Thermofenster bei der Abgasreinigung käme in dem Fahrzeug ein ganzes Paket von Abschalteinrichtungen, u.a. eine Aufwärmstratege mit Erkennung des Prüfstands, zwei Betriebsmodi in der Motorsteuerung oder die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, zum Einsatz. Zusammen würden die Funktionen dafür sorgen, dass die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß im Prüfzyklus zwar eingehalten, im realen Straßenverkehr aber verfehlt werden. Im Zusammenspiel handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung.
Daimler konnte den Vorwurf nicht widerlegen. Der Autobauer legte nur lückenhafte und zu großen Teilen auch noch geschwärzte Bescheide des KBA vor. Damit konnte Daimler nicht darlegen, warum die bemängelten Funktionen zulässig sein sollten, so das OLG Köln.
Der Kläger habe hingegen hinreichend greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung geliefert. Dafür spreche schon der Rückruf des Fahrzeugs durch das KBA, führte das OLG Köln weiter aus. Durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei der Kläger bewusst getäuscht worden. Bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Der Schaden sei schon mit Abschluss des Kaufvertrags entstanden, der daher rückabzuwickeln sei, entschied das OLG Köln. Daimler muss das Wohnmobil zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstatten.
„Daimler legt die Karten weiter nicht auf den Tisch und bleibt den Nachweis schuldig, warum die bemängelten Abschalteinrichtungen zulässig sein sollten. Es deutet einiges darauf hin, dass Daimler nicht in der Lage ist, diesen Nachweis zu erbringen. Damit steigen die Chancen auf Schadenersatz“, so Rechtsanwalt Braun.
Dies gilt umso mehr, nachdem die EuGH-Generalanwältin Eleanora Sharpston erklärt hat, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie im realen Straßenverkehr zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen und Ausnahmen nur in sehr engen Grenzen zulässig seien.
Mehr Informationen: https://www.diesel-abgasskandal.de/mercedes-abgasskandal/