München, 11.03.2020. Eine unzulässige Abschalteinrichtung kann auch dann vorliegen, wenn kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts erfolgt ist. Eine detaillierte Kenntnis von der Funktionsweise der Abschalteinrichtung kann vom Kläger nicht verlangt werden. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28. Januar 2020 klargestellt und damit die Rechte geschädigter Mercedes-Kunden im Abgasskandal deutlich gestärkt (Az.: VIII ZR 57/19).
Vor dem BGH ging es zwar um die Klage eines Mercedes-Kunden, der Beschluss ist aber auch für Fahrzeuge anderer Hersteller im Dieselskandal von großer Tragweite. Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen hat sich durch den BGH-Beschluss noch einmal verbessert. Demnach reicht es aus, wenn der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung liefert. Solche greifbaren Anhaltspunkte seien nicht erst dann gegeben, wenn es einen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gebe.
„Im Klartext: Auch ohne Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt haben geschädigte Kunden Chancen auf die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Dass es keinen Rückruf des KBA gibt, heißt nicht, dass es keine unzulässige Abschalteinrichtung gibt. Das ist natürlich nicht nur für Mercedes-Kunden, sondern auch für die Käufer von Fahrzeugen anderer Hersteller interessant“, sagt Rechtsanwalt Franz Braun, CLLB Rechtsanwälte.
In dem Fall vor dem BGH hatte ein Mercedes-Kunde Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht. Für sein Fahrzeug mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 lag zwar kein Rückruf des KBA vor, allerdings hat die Behörde andere Mercedes-Modelle aus derselben Motorenreihe zurückgerufen. Zudem hat auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei den Mercedes-Motoren OM 651 und OM 642 eingeleitet. Außerdem bot der Kläger die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
Von dem Kläger könne nicht verlangt werden, dass er genau darlege, wie eine mögliche Abschalteinrichtung im Detail funktioniere. Vorliegend habe er ausreichende Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung geliefert, stellte der BGH klar. Greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung seien nicht erst dann gegeben, wenn das Kraftfahrt-Bundesamt einen Rückruf angeordnet habe. Das OLG hätte daher in die weitere Beweisaufnahme eintreten müssen.
Auch wenn die Klage letztlich wegen eines formalen Fehlers zurückgewiesen werden musste, machte der BGH sehr deutlich, dass dem Kläger sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht einfach verweigert werden darf.
„Verschiedene Gerichte haben Daimler bereits wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verurteilt. Die Chancen, Schadensersatzansprüche durchzusetzen, sind nach dem BGH-Beschluss weiter gestiegen – auch wenn noch kein Rückruf des KBA vorliegt“, so Rechtsanwalt Braun.
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