München, 30.09.2020. Die Luft im Mercedes-Abgasskandal wird für Daimler immer dünner. Nachdem sich die Rechtsprechung im Dieselskandal in den vergangenen Wochen und Monaten ohnehin verbraucherfreundlich entwickelt hat, kassierte Daimler nun eine empfindliche Niederlage vor einem Oberlandesgericht.
Das OLG Naumburg hat mit Urteil vom 18.09.2020 entschieden, dass Daimler gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis für einen Mercedes GLK 220 CDI erstatten muss. Für die gefahrenen Kilometer kann Daimler eine Nutzungsentschädigung anrechnen (Az.: 8 U 8/20).
Das OLG Naumburg sah es als erwiesen an, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verwendet wird. Daimler sei daher zum Schadensersatz verpflichtet. „Erstmalig wurde Daimler im Abgasskandal nun von einem Oberlandesgericht verurteilt. Die Entscheidung des OLG Naumburg dürfte dabei durchaus richtungweisend für Schadenersatzklagen gegen Daimler sein“, sagt Rechtsanwalt Franz Braun, CLLB Rechtsanwälte.
Vor dem OLG Naumburg ging es um einen Mercedes GLK 220 CDI 4Matic mit dem Dieselmotor OM 651 und der Abgasnorm Euro 5. In dem Motor wird die sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verwendet. Diese sorgt dafür, dass im Prüfmodus die Aufwärmung des Motoröls verzögert wird und dadurch der Stickoxid-Ausstoß unterhalb des zulässigen Grenzwertes bleibt. Im realen Straßenverkehr ist diese Funktion jedoch oft deaktiviert mit der Folge, dass der Grenzwert für den Stickoxid-Ausstoß überschritten wird. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat diese Funktion als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet und deshalb im Juni 2019 den Rückruf angeordnet. Da sein Fahrzeug von dem Rückruf betroffen war, machte der Kläger Schadensersatzansprüche geltend.
Durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei der Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe Anspruch auf Schadensersatz, entschied das OLG Naumburg.
Daimler habe Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht und die potenziellen Käufer damit getäuscht. Denn aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung wäre der Entzug der Betriebserlaubnis für die Fahrzeuge möglich gewesen.
Der Kläger habe hinreichend dazu vorgetragen, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet werde. Daimler habe diesen Vorwurf nicht widerlegen können. Der Autobauer habe keine näheren Angaben zur Funktionsweise der Abschalteinrichtung gemacht und nicht dargelegt, warum diese Funktion zulässig sein sollte. Bescheide des KBA habe Daimler überhaupt nicht oder mit größtenteils geschwärztem Inhalt vorgelegt, obwohl das Gericht ihn ausdrücklich zur Vorlage maßgeblicher Auszüge aus der Kommunikation mit dem KBA aufgefordert hatte.
Daimler könne sich hier nicht hinter Betriebsgeheimissen verstecken, so das OLG. Zumal an Betriebsgeheimnissen, die illegale Abschalteinrichtungen betreffen, ohnehin kein schützenwertes Interesse bestehe. Das OLG kam zu der Überzeugung, dass es sich bei der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt und der Kaufvertrag daher rückabzuwickeln sei.
Dies entspricht auch der Sichtweise der EuGH-Generalanwältin Eleanora Sharpston. Sie hatte am 30. April 2020 erklärt, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie im realen Straßenverkehr zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen. Ausnahmen seien nur in sehr engen Grenzen zulässig.
„Dadurch dürften sich die Aussichten, Schadensersatzansprüche gegen Daimler durchzusetzen, weiter verbessert haben“, so Rechtsanwalt Braun.
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