München, 30.04.2021. VW hat im Abgasskandal eine sehr bittere Niederlage um Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 kassiert. Nach zahlreichen Landgerichten hat mit dem OLG Naumburg nun auch ein Oberlandesgericht Volkswagen im Zusammenhang mit Abgasmanipulationen beim Motor des Typs EA 288 verurteilt. Mit Urteil vom 9. April 2021 entschied das OLG Naumburg, dass in einem VW Golf VII TDI mit dem Motor EA 288 eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt und VW daher wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung schadenersatzpflichtig ist (Az.: 8 U 68/20). Die Revision zum BGH hat das OLG nicht zugelassen.
Der Motor des Typs EA 288 ist der Nachfolgemotor des durch den Dieselskandal bekannt gewordenen Motors EA 189. Für diesen hatte der BGH bereits mit Urteil vom 25. Mai 2020 entschieden, dass VW sich durch die Abgasmanipulationen schadenersatzpflichtig gemacht hat.
Wie der EA 189 wird auch der EA 288 bei Dieselfahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda bis zwei Liter Hubraum eingesetzt. VW weist den Vorwurf unzulässiger Abschalteinrichtungen beim EA 288 zwar zurück und behauptet auf einer eigens eingerichteten website, dass Schadenersatzklagen keinerlei Erfolgsaussichten hätten. „Die Realität dürfte künftig anders aussehen. Mit dem OLG Naumburg hat nun bereits das zweite Oberlandesgericht Volkswagen bei einem Fahrzeug mit dem Motor EA 288 zu Schadenersatz verurteilt“, sagt Rechtsanwalt Dr. Henning Leitz, CLLB Rechtsanwälte. Auch das OLG Köln hatte VW mit Versäumnisurteil vom 19.02.2021 bereits zu Schadenersatz beim EA 288 verurteilt (Az.: 19 U 151/20).
In dem Verfahren vor dem OLG Naumburg hatte der Kläger einen VW Golf VII 2.0 TDI im Oktober 2017 als Gebrauchtwagen gekauft. In dem Fahrzeug ist der Dieselmotor des Typs EA 288 verbaut. Ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) liegt für das Modell zwar nicht vor, der Kläger machte dennoch Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geltend. In dem VW Golf sei eine Zykluserkennung in Form einer sog. Fahrkurvenerkennung implementiert. Dadurch erkenne die Motorsteuerung, ob sich das Fahrzeug im Prüfmodus oder im realen Straßenverkehr befindet. Im Prüfzyklus werde der Stickoxid-Ausstoß reduziert, unter normalen Bedingungen im realen Straßenverkehr sei das aber nicht der Fall. Bei der Fahrkurvenerkennung handele es sich daher um eine unzulässige Abschalteinrichtung, so der Kläger.
VW konnte die Vorwürfe nicht widerlegen und das OLG Naumburg folgte in einer sehr sorgfältig begründeten Entscheidung der Argumentation des Klägers. Das Emissionskontrollsystem arbeite im Prüfzyklus in einem anderen Modus als im normalen Fahrbetrieb, hierdurch würden Testergebnisse im Prüfmodus verfälscht. Im Ergebnis würde der Verbraucher durch die Fahrkurvenerkennung im EA 288 genauso getäuscht wie durch die Kippschalterlogik mit Prüfstandserkennung im Vorgängermotor EA 189. Es handele sich daher um eine unzulässige Abschalteinrichtung, so das OLG Naumburg.
Auch wenn es keinen Rückruf des KBA für das Fahrzeug gibt, bedeute das nicht, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe wohl einfach auf die von VW vorgelegten Messergebnisse und die Angabe, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet wurde, vertraut; fand das OLG deutliche Worte.
Es liege auf der Hand, dass der Kläger das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte. Daher sei ihm schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden. Der Kaufvertrag müsse daher rückabgewickelt werden, so das OLG Naumburg. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs kann der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen.
„VW kann den Abgasskandal nicht zu den Akten legen. Die Rechtsprechung entwickelt sich auch bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 288 zunehmend verbraucherfreundlich. Die Chancen auf Schadenersatz für die geschädigten Käufer steigen“, so Rechtsanwalt Dr. Leitz.