München, 25.05.2020. Fast fünf Jahre ist es her, dass der VW-Abgasskandal um Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 bekannt wurde. Nun gibt es ein erstes Urteil des Bundesgerichtshofs. Wie zu erwarten war, hat der BGH mit Urteil vom 25. Mai 2020 entschieden, dass VW zum Schadensersatz verpflichtet ist (Az.: VI ZR 252/19).
Durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung seien die Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Volkswagen sei daher schadensersatzpflichtig, habe aber einen Anspruch auf die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer, so die Karlsruher Richter. „Der Weg für Schadensersatzansprüche im Abgasskandal ist damit endgültig frei“, sagt Rechtsanwalt Dr. Henning Leitz, CLLB Rechtsanwälte.
Positives BGH-Urteil war absehbar
Eine Überraschung ist das heutige Urteil des Bundesgerichtshofs nicht. Denn einerseits hatten schon vor dem BGH zahlreiche Landgerichte und Oberlandesgerichte VW aufgrund der Abgasmanipulationen zum Schadensersatz verurteilt und andererseits hatte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters bereits in der mündlichen Verhandlung vor rund drei Wochen deutlich zu erkennen gegeben, dass er die Argumente des Autobauers größtenteils für unzulässig hält und VW wohl zum Schadensersatz verurteilen wird.
Genauso ist es jetzt gekommen. In dem Verfahren vor dem höchsten deutschen Zivilgericht ging es um die Klage eines Verbrauchers, der im Januar 2014 für rund 31.500 Euro einen VW Sharan mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 als Gebrauchtwagen gekauft hatte. Er habe bewusst ein umweltfreundliches Auto kaufen wollen, gab er an. Doch als der Abgasskandal bekannt wurde, fühlte er sich verschaukelt. Daher machte er Schadensersatzansprüche geltend.
Seine Klage hatte in zweiter Instanz vor dem OLG Koblenz Erfolg. VW müsse das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten. VW hätte demnach noch rund 25.600 Euro zahlen müssen. Gegen dieses Urteil legten beiden Seiten Revision ein, der Kläger verlangte den vollen Kaufpreis – also ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung. VW vertrat die Auffassung, dass überhaupt kein Schaden entstanden sei.
Urteil: Kaufvertrag muss rückabgewickelt werden
Der BGH bestätigte nun das Urteil des OLG Koblenz weitgehend. Dabei machten die Karlsruher deutlich, dass VW durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sittenwidrig gehandelt habe und sich das Verhalten seiner Mitarbeiter auch zurechnen lassen muss. Der Schaden sei dem Kläger schon mit Abschluss des Kaufvertrags entstanden, denn es könne davon ausgegangen werden, dass er den Wagen bei Kenntnis der Abgasmanipulationen nicht gekauft hätte. Der Kaufvertrag müsse daher rückabgewickelt werden. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs müsse VW den Kaufpreis erstatten. Für die gefahrenen Kilometer dürfe Volkswagen allerdings eine Nutzungsentschädigung anrechnen, so der BGH.
BGH-Entscheidung sorgt endlich für Rechtssicherheit
„Die Auffassung des BGH, dass VW eine Nutzungsentschädigung anrechnen darf, ist ein kleiner Wermutstropfen und rechtlich auch umstritten. Dennoch ist es natürlich erfreulich, dass im Abgasskandal um Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 endlich Rechtssicherheit eingetreten ist und die Schadensersatzansprüche der geschädigten Käufer durchgesetzt werden können“, so Rechtsanwalt Dr. Henning Leitz. Noch rund 60.000 Verfahren sind zum Abgasskandal anhängig.
Für diese Verfahren ist das Urteil des BGH natürlich wegweisend. Es dürfte aber auch darüber hinaus wirken. Im Abgasskandal geht es auch um Schadensersatzansprüche bei den größeren 3-Liter-Dieselmotoren oder dem Nachfolgeaggregat des Typs EA 288. Zudem rücken auch andere Hersteller wie Mercedes in den Fokus, die bei der Abgasreinigung z.B. sog. thermische Fenster genutzt haben.
„Ende April hatte die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston deutlich gemacht, dass sie Abschalteinrichtungen für grundsätzlich unzulässig hält, wenn sie zu einem erhöhten Emissionsausstoß im realen Straßenverkehr führen. Diese Einschätzung und das heutige Urteil des BGH dürften auch hier den Weg für Schadensersatzansprüche frei gemacht haben“, so Rechtsanwalt Dr. Leitz.